Inhalt: Der junge, intelligente und zutiefst patriotische Edward Snowden (Joseph Gordon-Levitt, „The Walk“) muss wegen gesundheitlicher Probleme seine Karriere als Soldat aufgeben. Stattdessen heuert er bei der CIA an, wo er seine Vorgesetzten mit seiner außergewöhnlichen Auffassungsgabe und Ideenreichtum beeindruckt. Privat findet er bei der Fotografin Lindsay (Shailene Woodley, „Wie ein weißer Vogel im Schneesturm“) sein Glück. Schockiert muss Snowden aber bald einsehen, wie wenig CIA und NSA auf die Privatsphäre der Menschen geben. Ohne Hemmungen und gesetzlichen Grenzen werden Leute auf der ganzen Welt auch ohne Verdachtsmomente ausgespäht. Obwohl Snowden schnell Karriere macht und auf Hawaii ein oberflächlich perfektes Leben führt, kann er irgendwann nicht mehr wegsehen: Er gibt seine komplette Existenz auf und trifft sich in Hongkong mit dem Journalisten Glen Greenwald (Zachary Quinto, „Star Trek Beyond“) und der Regisseurin Laura Poitras (Melissa Leo, „London has fallen“), denen er alles über das perfide Überwachungssystem offenbart. Gejagt von der amerikanischen Regierung begibt sich Snowden auf eine Reise, die ihn nach Moskau führt.
Kritik: In den 80er- und 90er-Jahren war Oliver Stone der Mann für kontroverses Mainstream-Kino mit Ecken und Kanten. Ob Kriegsfilm („Platoon“), Wirtschafts- („Wall Street“) oder Verschwörungthriller („JFK“) oder einfach nur rabiat-satirische Unterhaltung („Natural Born Killers“): Die Filme von Stone hatten immer etwas Spezielles an sich. Doch nach der Jahrtausendwende schien er ein wenig seine Kraft verloren zu haben. Der fast schon alberne Historien-Epos „Alexander“, das handzahme Bush-Biopic „W.“ und die vollkommen verzichtbare Fortsetzung „Wall Street: Geld schläft nicht“ ließen nicht mehr viel von dem Talent eines Ausnahme-Regisseurs erkennen. Von daher stellte sich auch die Frage, die vor 15 Jahren noch rhetorisch gewesen wäre: Ist Stone dazu in der Lage, eine Geschichte die so komplex und wichtig ist, wie die von Whistleblower Edward Snowden, in ansprechendem Umfang auf die Leinwand zu bringen? Der Regisseur selbst gibt eine beeindruckende Antwort und liefert einen Film, der nicht nur die aus der Dokumentation „Citizenfour“ bekannten Sequenzen nacherzählt, sondern sich äußerst schlüssig mit dem Werdegang beschäftigt, der Snowden zu dieser selbstlosen Entscheidung geführt hat.
Das Publikum lernt einen schüchternen, hoch intelligenten Mann kennen, der hauptsächlich Dienst für sein Vaterland tun will. Mit seiner späteren Freundin Lindsay kommt es schon beim ersten Date zum Streit, da er Probleme mit ihrer politisch liberalen Einstellung hat. Im Film zeigt sich, wie tief Snowden in den Geheimdiensten verwurzelt war und was für gewaltige Karrieremöglichkeiten er aufgegeben hat, weil er seine Moralvorstellungen und seinen Beruf nicht mehr miteinander vereinbaren konnte. Oliver Stone gibt tiefe Einblicke in die Persönlichkeit dieses Mannes, der alles dafür getan hat, im Rahmen seiner Möglichkeiten die Welt zu verändern. Neben dem hohen Informationsanteil gelingt es aber auch, eine flüssige und unterhaltsame Geschichte zu erzählen, die trotz 139 Minuten Spielzeit praktisch keine Längen hat. Ein entscheidender Anteil, weswegen dieser Film so packend ist, fällt dabei Joseph Gordon-Levitt zu, der sich wahrlich in seine Figur verwandelt und mit Mimik und Tonfall erstaunlich nah an den echten Snowden kommt. Ob diese Gala-Vorstellung mit einer verdienten Oscar-Nominierung belohnt wird, bleibt abzuwarten. Ähnlich wichtig war die Besetzung von Lindsay, die Snowden erst zu der Person gemacht hat, die bereit ist, so eine Entscheidung zu treffen. Mit Shailene Woodley wurde hier ein echter Volltreffer gelandet. Neben der greifbaren Chemie zwischen ihr und Gordon-Levitt liefert sie ein erstaunliches Pensum und entwickelt eine dreidimensionale Figur, die absolut glaubwürdig ist.
Ein weiterer exzellenter Part fällt Rhys Ifans („Madame Bovary“) zu, der als Ausbilder und Mentor von Snowden derart kühl und bedrohlich ist, wie es ihm wohl kaum jemand zugetraut haben dürfte. Gerade eine Szene, in der er von einer überdimensionalen Video-Leinwand spricht, bleibt hier besonders beeindruckend. Es ist erfreulich, dass Nicolas Cage („The Trust – Big Trouble in Sin City“) endlich mal wieder in einem wirklich guten Film mitspielen darf. Als Lehrer, der Snowden auf ein paar Missstände im System hinweist, hat er vor allem in der späten Phase des Filmes eine klasse Sequenz. Wenn zu den weiteren Nebendarstellern Zachary Quinto, Melissa Leo, Tom Wilkinson („Felony – Ein Moment kann alles verändern“), Scott Eastwood („Texas Chainsaw“) und Timothy Olyphant („Deadwood“) zählen, dürfte relativ klar sein, wie hoch diesbezüglich das Niveau im Film ist.
Im Abspann sind Bilder von einem persönlichen Treffen zwischen Oliver Stone und Edward Snowden in Moskau zu sehen, wodurch wohl noch einmal unterstrichen wird, dass nicht viel Fiktion in diesem Film vorhanden ist. So ist dem Regisseur ein Werk gelungen, das sich den seltenen Stempel als „wichtiger Film“ wirklich verdient und gleich auf mehreren Ebenen funktioniert. Neben den unaufdringlich-informativen Inhalten ist „Snowden“ ein hoch spannender Spionagethriller und ein Aufruf zu erhöhter Zivilcourage. Es ist schön zu sehen, dass Oliver Stone auch in gehobenem Alter immer noch genug Biss hat, um mit diesem mutigen Film seinem Protagonisten eine angemessene Würdigung zu verschaffen.
4,5 von 5 Punkten
Quelle: Universum Film, Leinwandreporter TV, YouTube
Snowden
Originaltitel: | Snowden |
Regie: | Oliver Stone |
Darsteller: | Joseph Gordon-Levitt, Shailene Woodley, Rhys Ifans, Nicolas Cage, Zachary Quinto |
Genre: | Biopic, Thriller |
Produktionsland/-jahr: | USA, 2016 |
Verleih: | Universum Film |
Länge: 139 Minuten | FSK: ab 12 Jahren |
Kinostart: | 22.09.2016 |
Homepage: | Snowden |
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