Noch ist das Jahr 2016 erst ein paar Tage entfernt. Nachdem ich zuletzt recht allgemein meine persönlichen Top- und Flop-Filme des Jahres präsentiert habe, möchte ich hier auf ein anderes Thema eingehen: Recht unabhängig von der Qualität des Filmes schaffen es einige Werke auf die Leinwand, die eigentlich keine Grund haben, dort zu sein. Im Gegenzug gibt es auch einen ganzen Haufen an sympathischen, guten Filmen, die den Sprung auf die Leinwand aus irgendwelchen Gründen nicht geschafft haben. Mit einem schönen Gruß an den Kollegen Martin Cordemann, der mich auf diese Thematik gebracht hat, habe ich hier einige Filme, die mir von der einen oder anderen Seite besonders ins Auge gefallen sind, für euch zusammengestellt.
Warum hatten diese Filme einen Kinostart?
Schon in der Flop 10 des Jahres gelandet, frage ich mich bei „Shut In“, inwiefern dieser Film ein Kinoerlebnis bieten soll. Mit einer Handlung zwischen langweilig und absurd, der Abwesenheit von Spannung, keinen besonderen Schauwerten und einem Cast, der auch (trotz Naomi Watts) nicht gerade vor Publikumsmagneten glänzt, wäre hier eigentlich ein typischer Direct to DVD-Release fällig gewesen. Das hätte den Film nicht besser gemacht, wäre aber von der Couch aus besser zu ertragen gewesen.
Ja gut, Jennifer Aniston hat sicherlich noch ihre Fans. Ansonsten ist der mit Sitcom- und Saturday Night Live-Stars sowie mit Olivia Munn als IT-Genie (!?!) besetzte Film genau das, was drauf steht: Eine „Office Christmas Party“. Der Film ist albern, laut, vulgär und spielt sich fast komplett an einem Ort ab. Selbst wenn am Ende noch eine Art Roadmovie entsteht, sind optische Highlights wahrlich nicht das Steckenpferd des Werkes. Für eine Gruppen-Lach-Therapie sind die Witze zu großen Teilen einfach zu flach, weswegen es keinerlei Unterschied gemacht hätte, diesen Film erst daheim zu „genießen“.
Absolutely Fabulous – Der Film
Eddy und Patsy haben sicherlich ihren Charme. Die in die Jahre gekommenen IT-Girls verzauberten in der dazu passenden Serie das einheimische (britische) Publikum. Auch wenn die Serie auch in Deutschland ihre Fans hat: Für die ausgedehnte Fassung einer Comedy-Episode muss niemand ins Kino gehen. Während die schrägen Damen im UK auch auf der Leinwand recht erfolgreich waren, ging dieses – äußerst halbgare – Film-Ereignis hier ziemlich unter.
Eher im Indie-Arthaus-Bereich wollte dieser Film mit typisch französischem Charme fesseln. Doch statt einem netten Feelgood-Film, über den sich die Zuschauer danach mit einem Grinsen im Gesicht unterhalten können, ist „Unterwegs mit Jacqueline“ nicht viel mehr als ein langer Spaziergang von einem Simpel und einer Kuh, der vor Klischees nur so strotzt und nicht mehr bietet, als solide Hintergrund-Unterhaltung, die bei voller Aufmerksamkeit auf großer Leinwand fast völlig scheitert.
Wer erinnert sich nicht an den Horror-Kracher „Visions“? Selbst die gefühlt fünf Leute, die den Film gesehen haben, dürften sich kaum gemerkt haben, was in den 82 Minuten gelaufen ist. Die große Auffälligkeit ist eine skurrile Serien-Besetzung, die von Jim Parsons über Gillian Jacobs bis hin zu Eva Longoria geht. Keiner von ihnen bekommt in dem ereignisarmen Treiben, dass seine Stimmung aus Fake Out-Traumsequenzen ziehen will, etwas zu tun. In den USA wurde der Kinostart kurzerhand auf Netflix ausgelagert. Noch Fragen?
Warum hatten diese Filme keinen Kinostart?
Auch wenn sie selten originell sind, funktionieren Romantik-Komödien eigentlich immer. Die sympathische Anna Kendrick hat sich längst genug etabliert, um auch den deutschen Kinogänger mit ihrem Namen zu locken. Wenn sie dann auch noch in Höchstform agiert und mit Spielpartner Sam Rockwell perfekt harmoniert, steigt das Interesse weiter. „Mr. Right“ findet tatsächlich eine ausgewogene Balance zwischen Liebe und professionellem Mord und wird so zu einem der lustigsten Filme des vergangenen Jahres. Doch statt den Film einem großen Publikum zu präsentieren, konnte man erst im Heimelektronik-Markt des Vertrauens über diese kleine Filmperle stolpern.
Charaktermime Alan Rickman in seinem letzten Film. Oscar-Preisträgerin Helen Mirren so gut wie lange nicht. Aaron Paul mit seinem besten Auftritt außerhalb von „Breaking Bad“. Das sind alles Taglines, die man „Eye in the Sky“ verpassen könnte. In diesem fesselnden Thriller, der sich ebenso clever wie spannend mit dem brandaktuellen Thema des Drohnenkriegs auseinandersetzt, stimmt fast alles. Weswegen dieser Film keinen Kinostart bekommen hat, bleibt ein Rätsel.
Was tun, wenn man einen spannenden, durchaus cleveren Film mit einem der größten Stars seiner Generation hat, der sich mit einer mehr als aktuellen Thematik auseinandersetzt? Bei „Imperium“ mit Daniel Radcliffe war die Antwort auf jeden Fall nicht, den Film ins Kino zu bringen. Auch wenn der Film wohl keine Blockbuster-Zahlen gebracht hätte, wäre allein der Name Radcliffe schon genug gewesen, um einigen Zuschauern einen gelungenen Kinoabend zu bescheren. Die thematische Relevanz unterstreicht nur noch einmal, weswegen es falsch war, diesen Film zu verstecken.
Seit einigen Jahren war die Rollenauswahl von Hollywood-Legende Al Pacino eher dürftig gewesen. In dieser liebenswerten Tragikomödie zeigt er als abgehalfterter Rockstar, dass er noch nichts verlernt hat. An seiner Seite agiert mit Annette Benning, Bobby Cannavale, Jennifer Garner, Melissa Benoist und Christopher Plummer noch reichlich schauspielerische Qualität. Während zahlreiche vergleichbare Filme – die oft den Sprung auf die große Leinwand schaffen – in die Richtung Kitsch abgleiten, ist das Regie-Debüt des preisgekrönten Drehbuch-Autors Dan Fogelmann aufrichtig, witzig und bietet zeitgleich die nötige Ernsthaftigkeit. Eine weitere Perle, die nur auf dem heimischen Sofa zu sehen ist.
The Keeping Room – Bis zur letzten Kugel
Der moderne Western hat zuletzt ein sehr erfolgreiches Revival gefeiert. Da ist es schade, dass der kühle, harte und atmosphärische „The Keeping Room“ hier keinen Kinostart bekommen hat. Der Film, der zu Zeiten des amerikanischen Bürgerkriegs spielt, findet alleine schon mal einen zeitgemäßen Ansatz, in dem er starke weibliche Charaktere (und von Brit Marling und Hailee Steinfeld toll gespielte Charaktere) ins Zentrum des Geschehens stellt. Dazu kommt eine erstaunlich präsente und subtile Performance von Sam Worthington (!). Dieser Film bedient einen erfrischend anderen Ansatz an das Wildwest-Genre und hätte mit spannendem Plot, tollen Bildern und erstklassigen Darstellern im Kino sogar noch besser funktioniert.