Inhalt: Mitten im „Deutschen Herbst“ kommt die talentierte und ambitionierte Amerikanerin Susie (Dakota Johnson, „Bad Times at the El Royale“) 1977 nach Berlin, um beim renommierten Markos Tanzensemble Karriere zu machen. Tatsächlich gelingt es ihr schnell, einen Platz im Team zu ergattern. Sogar die Hauptrolle im nächsten Stück wird ihr von der exzentrischen, weltbekannten Lehrerin Madame Blanc (Tilda Swinton, „Hail, Caesar!“) übertragen. Mit ihrer Mitbewohnerin Sara (Mia Goth, „A Cure For Wellness“) findet sie sogar bald eine gute Freundin. Obwohl alles scheinbar perfekt läuft, hat Susie das Gefühl, dass etwas in dem altehrwürdigen Gemäuer nicht stimmt. Diese Einschätzung teilt sie mit dem Psychotherapeuten Dr. Jozef Klemperer (Lutz Ebersdorf), der auf der Suche nach Susies Vorgängerin Patricia (Chloë Grace Moretz, „Bad Neighbors 2“) ist, die vor einiger Zeit spurlos verschwand. Die junge Frau hatte mit argen psychischen Problemen zu kämpfen und behauptete, dass ein bösartiger Hexenzirkel hinter dem Tanzstudio steckt. Schon bald verdichten sich die Anzeichen, dass Patricia vielleicht doch nicht verrückt war.
Kritik: Der italienische Filmemacher Dario Argento hat fast im Alleingang den Giallo-Horror geprägt. Zu seinen bekanntesten Werken zählt aber bis heute der 1977er-Film „Suspiria: In den Krallen des Bösen“, der nicht nur wegen seiner Farbkompositionen und dem unvergesslichen Soundtrack von Goblin als Klassiker zählt. Regisseur Luca Guadagnino, der zuletzt mit „Call Me By Your Name“ einen großen Erfolg feiern konnte, ist seit seiner Jugend ein großer Fan des Films gewesen. Deswegen erwarb er vor etwa zehn Jahren bereits die Remake-Rechte für das ungewöhnliche Werk. 2010 war bereits eine Umsetzung unter der Regie von David Gordon Green geplant – zu einer Realisation kam es bekanntlich nicht. Das sorgte zumindest dafür, dass Guadagnino selbst zu einem international anerkannten Regisseur reifen und den Film selbstständig umsetzen konnte.
Tatsächlich ist sein Film mehr Neu-Interpretation des Stoffes als ein Remake des Argento-Werks, was nicht nur an einer epischen Spielzeit von 152 Minuten (im Vergleich zu 98 Minuten) zu erkennen ist. So hat er die Handlung kurzerhand von einem surreal anmutenden Freiburg in ein tristes Berlin, in dem Demonstrationen und Zerstörung zur Tagesordnung gehören, verlegt. Auch der Soundtrack von Radiohead-Sänger Thom Yorke schlägt deutlich andere Töne an. Das Endergebnis ist ein nahezu optimales Beispiel, wie gut Arthouse- und Horror-Kino miteinander harmonieren können. Trotz eines völlig veränderten Looks ist „Suspiria“ ausgesprochen ästhetisch. Die grauen Straßen und die würdevollen, alten Gänge des Tanzstudios bilden eine Art Gegengewicht zur Schönheit der toll eingefangenen Tanzszenen. Besonders aber, wenn der Tanz als Kontrast zu durchaus verstörenden Brutalitäten verwendet wird, ist der Stil des Films beeindruckend.
Obwohl zu jeder Zeit klar ist, wo Guadagnino mit seiner Interpretation der Handlung hin möchte, entwickelt der Film eine fast schon soghafte Atmosphäre, die bis zum albtraumhaften Schlussakkord bestehen bleibt. Darüber hinaus erzählt der Film eine zeitgemäße Geschichte über weibliche Stärke. In der Hauptrolle überrascht Dakota Johnson mit einem hervorragenden Auftritt. Sinnlich und glaubhaft ist sie als talentierte und ehrgeizige Tänzerin das klare Zentrum des Geschehens und trägt den Film.
Ein wenig kurios ist die Beteiligung von Tilda Swinton. Als berühmte, strenge Tanzlehrerin der Gruppe ist sie erwartet gut und trifft jede Nuance. Darüber hinaus ist sie aber noch mit bizarrer Maskierung unter dem Pseudonym Lutz Ebersdorf als deutscher Psychotherapeut vertreten, den sie in der Originalfassung nahezu ohne Akzent in deutscher Sprache spielt. Auch die Britin Mia Goth, die mit ihrer eigenwilligen Attraktivität wie gemacht für einen solchen Film ist, kann als Sara, die Zweifel an den Geschehnissen bei der Tanzkompanie bekommt, absolut überzeugen. Chloë Grace Moretz hat nur wenig Spielzeit, liefert aber als verstörte Patricia einen guten Einstieg in den Film.
Schon die ersten Reaktionen haben bewiesen, dass die Neuauflage von „Suspiria“ extrem polarisiert. Luca Guadagnino liefert einen unkonventionellen Film, der mit langer Spielzeit, teils verstörender Brutalität und einer fast kompletten Abkehr von Argentos Stil sicherlich einige Zuschauer vor den Kopf stößt. Wer einen Zugang zu dem Film findet, wird mit einem einfallsreichem, stilistisch hoch interessanten, klug erzählten Horrortrip belohnt, der lange Zeit nachwirkt.
4,5 von 5 Punkten
Der Film lief im Programm des Film Festival Cologne 2018 und wird am 15.11.2018 von Capelight Pictures und Koch Films in die deutschen Kinos gebracht.
Quelle: Capelight/KochFilms, LeinwandreporterTV, YouTube
Suspiria
Originaltitel: | Suspiria |
Regie: | Luca Guadagnino |
Darsteller: | Dakota Johnson, Tilda Swinton, Mia Goth, Chloë Grace Moretz |
Genre: | Horror, Mystery |
Produktionsland/-jahr: | USA/Italien, 2018 |
Verleih: | Koch Films/Capelight Pictures |
Länge: | 152 Minuten |
FSK: | ab 16 Jahren |
Kinostart: | 15.11.2018 |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite des Film Festival Cologne
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 19.10.2018
Review: Suspiria (Film Festival Cologne)