Inhalt: Nachdem ihr gewalttätiger Mann Anna (Noomi Rapace, „Millenium”) und ihren achtjährigen Sohn Anders (Vetle Qvenild Werring, „Cold Prey 2“) fast getötet hätte, flüchten die beiden Misshandlungsopfer in einen Osloer Vorort. Dort tauchen sie in der Anonymität einer Hochhaussiedlung unter. Die vollkommen verunsicherte Anna nutzt jede Sekunde, um Anders zu überwachen und vor möglichen äußeren Einflüssen zu beschützen. Daraus wird eine ungesunde Obsession, die auch den ständig auftauchenden Mitarbeitern des Jugendamtes nicht verborgen bleibt.
Um ihren Sohn auch in der Nacht immer hören zu können, stellt sie ein Babyfon in seinem Zimmer auf. Das Babyfon hatte sie in bei dem Verkäufer Helge (Kristoffer Joner, „King of Devil’s Island“) in einem Elektroladen gekauft. Der schüchterne Helge, dessen Mutter gerade im Sterben liegt, entwickelt sich zu Annas einzigem Bezugspunkt in der Außenwelt. Über das Babyfon empfängt sie dann aber eines Nachts Stimmen aus einer Nachbarwohnung, die auf den Mord an einem Kind hindeuten. Aufgrund dieses Ereignisses steigert sich Anna immer weiter in ihre Ängste, bis sie die Bodenhaftung zur Realität verliert.
Kritik: Der norwegische Regisseur Pål Sletaune („Wenn der Postmann gar nicht klingelt“) inszenierte im Jahr 2011 diese Mischung aus Psychothriller und Familiendrama. Die düstere Stimmung etabliert innerhalb kürzester Zeit aufgrund der beklemmenden Bilder: Wohngegend, Häuser und der Himmel sind Grau in Grau, was die Hoffnungslosigkeit der misshandelten und überforderten jungen Mutter treffend darstellt. So entwickelt sich in kleinen Schritten eine bedrohliche Atmosphäre, in der immer mehr verstörende Details auffallen, die rund um die alleinerziehende Anna erscheinen. Sei es die omnipräsente Angst vor der Rückkehr des brutalen Vaters, die Bedrohung des Alltags durch die Behörden oder der merkwürdige Freund, den Anders eines Tages mit nach Hause bringt. Die Verzweiflung geht schnell auf den Zuschauer über, der schon bald ein ähnliches Misstrauen verspürt, wie die Hauptfigur Anna.
Seine herausragenden Momente hat „Babycall“ aber, wenn die zwischenmenschlichen Bindungen stattfinden: Die langsame Annäherung von Anna und dem Sonderling Helge, der Austausch von Kriegsgeschichten zwischen Anders und seinem neuen Freund, die beide von ihren Schlägen berichten. In diesen Momenten trifft jedes Wort genau ins Schwarze. Hätte sich Sletaune nicht dazu entschlossen, in einer merkwürdigen Auflösung alles Gezeigte auf den Kopf zu stellen, wäre hier ein unheimlich faszinierender Film entstanden.
Rapace kann nicht nur Lisbeth
Durch ihre sensationellen Auftritte als punkige Hackerin Lisbeth Salander in der „Millenium“-Trilogie war aus der Schwedin Noomi Rapace ein internationaler Star geworden. Mittlerweile ist sie regelmäßig in teuren Hollywood-Produktionen wie „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ und „Prometheus“ zu sehen. Dennoch entschied sie sich im Jahr 2011, bei diesem kleinen, Kammerspiel-artigen Psychodrama aus Norwegen die Hauptrolle zu übernehmen, was für ihr gutes Drehbuchgespür spricht. Ihre verhuschte und gebeugte Darstellung einer vollkommen verängstigten Frau verleiht der Geschichte einen großen Anteil der bedrückenden Stimmung. Sie spielt Anna in keinster Weise liebenswert, aber extrem glaubwürdig. Der junge Vetle Qvenild Werring beeindruckt mit einer vielschichtigen Schauspielleistung, in der er die kindliche Verspieltheit gekonnt mit dem Druck der nervigen Bemutterung und der Verstörtheit erlebter Gewalttaten kombiniert. Kristoffer Joner komplettiert als weltfremdes und verschüchtertes Muttersöhnchen Helge die herausragende Besetzung.
Pål Sletaune ist mit geringen Mitteln ein packendes und verstörendes Psychodrama gelungen. „Babycall“ lebt von der Stimmung und den großartigen Schauspielern. Leider verrennt sich der Film am Ende in einigen Widersprüchen, die den starken Eindruck doch etwas trüben.
Ab dem 14.02.2013 ist der Film auf DVD erhältlich.
3,5 von 5 Punkten
Bild: Die kühlen Grau- und Blautöne unterstreichen die beklemmende Atmosphäre des Filmes. Bildschärfe und Kontraste befinden sich auf gehobenem DVD-Niveau und bei Nahaufnahmen wird eine starke Detailzeichnung der Gesichter geboten.
3,5 von 5 Punkten
Ton: Die deutsche Dolby Digital 5.1-Tonspur bietet eine hervorragende Dialogverständlichkeit. Da nur ein minimaler Score eingespielt wurde und kaum Effekte im Film vorhanden sind, wird die Anlage natürlich kaum gefordert. Außerdem liegt die norwegische Original-Tonspur in Dolby Digital 5.1 vor.
3 von 5 Punkten
Extras: Bis auf einige Trailer liegen der DVD keine Bonusmaterialien bei.
1 von 5 Punkten
Gesamt: 3 von 5 Punkten
Quelle: NFP Kino, YouTube
Babycall
Originaltitel: | Babycall |
Regie: | Pål Sletaune |
Darsteller: | Noomi Rapace, Kristoffer Joner, Vetle Qvenild Werring |
Genre: | Psychothriller |
Produktionsland/-jahr: | Norwegen, 2011 |
Verleih: | NFP Marketing & Distribution |
Länge: | 92 Minuten |
FSK: | ab 16 Jahren |
Offizielle Homepage zum Film: | Der Internetauftritt von "Babycall" |