Inhalt: Henry Spencer (Jack Nance) arbeitet als Drucker in einer Fabrik, wohnt in einem kleinen Apartment und bleibt am liebsten für sich. Eines Tages wird er überraschend von seiner Ex-Freundin Mary (Charlotte Stewart) in ihr Elternhaus zum Essen eingeladen. Nach einem mehr als sonderbaren Zusammentreffen kriegt er eine lebensverändernde Nachricht aufgetischt: Mary hat von ihm ein missgebildetes Kind bekommen und will es mit ihm aufziehen. So nimmt er Mary und den Nachwuchs bei sich auf. Die eingeengte Wohnsituation fordert bald ihren ersten Tribut.
Kritik: David Lynch hatte noch nie das Problem, zu konventionell zu sein. Während einige mit dem düsteren, oft schwer verständlichen Symbolismus in seinen Filmen so gar nichts anfangen können, gelten für andere Werke wie „Blue Velvet“ und „Lost Highway“ längst als Klassiker. Sein Film „Mulholland Drive“ aus dem Jahr 2001 wurde unlängst in einer Umfrage der BBC Culture unter angesehenen Kritikern zum bislang besten Film des 21. Jahrhunderts gewählt. In der Serienlandschaft hinterließ er mit dem Mystery-Urvater „Twin Peaks“ Spuren, die immer noch nicht abgeklungen sind. All dies nahm seinen Ursprung im Jahr 1977, als Lynch mit „Eraserhead“ seinen ersten Spielfilm veröffentlichte. In dem selbstfinanzierten Projekt, an dem er mit Freunden über den Verlauf von fünf Jahren arbeitete, ist schon sehr viel von der unverkennbaren Handschrift des Regisseurs vorhanden.
Während „Blue Velvet“, „Twin Peaks“ und weitere seiner Arbeiten gerne sonderbar, aber meistens noch recht geradlinig sind, ist sein Erstlingswerk Surrealismus in Reinkultur. Verstörend, skurril, auf merkwürdige Art faszinierend und zu keiner Zeit wirklich verständlich wird der Zuschauer mit Protagonist Henry auf einen Trip geschickt, den so schnell niemand vergisst. George Lucas war von dem Film derart begeistert, dass er Lynch ohne großes Zögern die Regie bei „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ angeboten hat. Aufgrund fehlendem kreativen Freiraum verzichtete Lynch aber darauf, einen sicherlich sehr anderen Beitrag zum „Star Wars“-Franchise zu liefern. Wie es dem Regisseur mit geringen Mitteln gelingt, „Eraserhead“ visuell derart eigen zu gestalten, ist schlicht bewundernswert. Auch diesbezüglich zeigt Lynch hier schon Motive, die in seiner späteren Schaffensphase erneut eingearbeitet werden (Stichwort Bodenkacheln).
Inhaltlich kann der Film gar nicht nach klassischen Mustern bewertet werden. Allein das grauenerregende Baby gibt den Fans bis heute Rätsel auf. Wer zehn fachkundigen Zuschauern das Werk vorsetzen würde, könnte sich wohl auf etwa 15 verschiedene Deutungen einrichten. Dieses mag der vielschichtigen, besonderen Denke von Lynch zuzuschreiben sein. Es wird aber sicherlich genug Zuschauer geben, die in den äußerst abseitigen Sequenzen von „Eraserhead“ nur ekligen, bedeutungsschwangeren Nonsens sehen. Dabei beherrscht es der Filmemacher wie kaum ein zweiter seiner Generation, das Publikum gleichermaßen auf inhaltlicher Distanz zu halten und es weiter in die Geschichte zu locken. Dieser Film taugt natürlich nur sehr bedingt dazu, Darsteller glänzen zu lassen. Das hat sicherlich nicht nur mit den wenigen Dialogszenen zu tun, die in dem Film vorkommen.
Dennoch führt Jack Nance mit kurioser Frisur so geschickt durchs Geschehen, dass er bis zu seinem Tod im Jahr 1996 in fast allen Lynch-Projekten besetzt wurde. An seiner Seite bekommt das monströse „Baby“ fast die meiste Spielzeit. Die von Charlotte Stewart verkörperte Mary kann noch am ehesten als vollwertiger Nebencharakter bezeichnet werden. Allen Joseph und Jeanne Bates („Mr. und Mrs. X“) sowie Judith Roberts („Beautiful Girl From Across The Hall“) sind – nicht nur wegen ihrer Figuren-Namen – eher kleine Rädchen im Getriebe von „Eraserhead“.
Es ist immer noch verständlich, weshalb dieses Werk für David Lynch so viele Türen geöffnet hat. Natürlich ist in „Eraserhead“ gleich auf mehrere Arten verwirrend und wahrlich nicht angenehm zu konsumieren. Dennoch sorgen die albtraumhafte Atmosphäre und der visuelle Einfallsreichtum dafür, dass diese fiese, originelle – keinesfalls makellose – Achterbahnfahrt auch nach 40 Jahren nichts von ihrer eigenartigen Brillanz verloren hat.
Der Film ist ab dem 19.07.2018 auf DVD und Blu-ray erhältlich. Er ist darüber hinaus Teil der „David Lynch Complete Film Collection“, die am 10.10.2019 auf DVD und Blu-ray veröffentlicht wird.
4,5 von 5 Punkten
Bild: Der inzwischen 40 Jahre alte Schwarz-Weiß-Film wird natürlich auch durch den – von David Lynch abgenickten – Transfer nicht zu einer reinen Schönheit. Kontraste und Schwarzwert bleiben manchmal ein wenig schwach, was zu ein paar eher undurchsichtigen Bildern führt. Schärfe und Detaildarstellung sind wohl eher im Mittelmaß einzuordnen. Dazu ist das Bild öfters recht unruhig. Dennoch passt genau diese unsaubere Darstellung nahezu ideal zu der verstörenden Albtraumwelt des Films, weswegen das Ergebnis auf seine eigene Weise überzeugt.
3,5 von 5 Punkten
Ton: Es liegt nur eine englische PCM 2.0-Spur mit deutschen Untertiteln vor, was aber aufgrund der begrenzten Anzahl von Dialogen kein großes Problem sein sollte. Wenn gesprochen wird, sind die Dialoge gut priorisiert. Die besondere Hintergrundkulisse, bei der es unablässig rauscht und zischt, ist ordentlich abgemischt worden und wirkt recht dynamisch. Allerdings klingt die Vertonung nicht immer ganz sauber. Räumlicher Klang scheidet aufgrund des Formats natürlich aus.
3 von 5 Punkten
Extras: Die Dokumentation „Eraserhead Stories“ aus dem Jahr 2001, in der David Lynch von der Entstehung des Films erzählt (85 Minuten), fünf Kurzfilme jeweils mit Einführung/Einordnung von David Lynch (insgesamt 64 Minuten) und ein paar Trailer ergänzen die Blu-ray.
4 von 5 Punkten
Gesamt: 4 von 5 Punkten
Quelle: KinoX HD, YouTube
Eraserhead
Originaltitel: | Eraserhead |
Regie: | David Lynch |
Darsteller: | Jack Nance, Charlotte Stewart, Jeanne Bates |
Genre: | Thriller, Mystery |
Produktionsland/-jahr: | USA, 1977 |
Verleih: | StudioCanal |
Länge: | 89 Minuten |
FSK: | ab 16 Jahren |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von StudioCanal
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 19.07.2018
Review: Eraserhead (Blu-ray)