Review: Moebius, die Lust, das Messer (Blu-ray)

Das Blu-Ray-Cover von „Moebius, die Lust, das Messer“ (Quelle: MFA+ Filmdistribution)

Das Blu-Ray-Cover von „Moebius, die Lust, das Messer“ (Quelle: MFA+ Filmdistribution)

Inhalt: Eine Ehefrau (Lee Eun-woo) beobachtet ihren Mann (Jo Jae-Hyeon) beim Fremdgehen. Dies kann sie nicht ertragen und sieht blind vor Rachelust den einzigen Ausweg darin, ihm den Penis abzutrennen. Als dieser sich heftig wehrt und ihr Vorhaben nicht gelingt, richtet sich ihre Wut auf den gemeinsamen jugendlichen Sohn (Seo Young-Ju), der folglich gewaltsam kastriert wird. Mitten in seiner Entwicklung nun einer „normalen“ Sexualität beraubt, wird er von Mitschülern gedemütigt und ist nicht mehr in der Lage, sich Frauen auf gewöhnliche Weise sexuell zu nähern. Einen Ausweg für den entmannten Sohn findet der schuldbeladene Vater bei Internetrecherchen über Schmerz als Motor der Lust. Doch mit dieser neuen Perspektive werden alle Beteiligten in einen Sog aus Sex und Gewalt gezogen.

Kritik: Der 53-jährige Kim Ki-Duk gehört sowohl in seinem Heimatland Südkorea als auch international zu den am kontroversesten diskutierten Regisseuren der heutigen Zeit. Umtriebig präsentiert er etwa alle ein bis zwei Jahre einen neuen Spielfilm, teilweise erscheinen sogar zwei Werke in einem Jahr. Sexualität, Unterdrückung und Gewalt zeichnen die meisten Filme Kims aus, wobei „mildere“ Werke wie „Frühling, Sommer, Herbst, Winter … und Frühling“ einen Kontrast zu schwer Verdaulichem wie dem 2012 erschienenen „Pieta“ (ausgezeichnet mit dem Goldenen Löwen) bilden. Die Gewalt in seinen Filmen stellt hierbei ein Bindeglied zu seiner eigenen, von Misshandlungen durch seinen Vater geprägten Kindheit und Jugend dar. Einen tiefen Einblick in Kims psychische Situation bietet die Dokumentation „Arirang – Bekenntnisse eines Filmemachers“, die als Ausdruck und Begleitung der persönlichen depressiven Krise des Regisseurs von ihm selbst gedreht und 2011 auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes gezeigt wurde.

Kein Film für zwischendurch

Alternative Methoden der Lustgewinnung lassen Zuschauer und Charaktere gleichermaßen atemlos zurück. (Quelle: MFA+ Filmdistribution)

Alternative Methoden der Lustgewinnung lassen Zuschauer und Charaktere gleichermaßen atemlos zurück. (Quelle: MFA+ Filmdistribution)

Das Thema des Films ist keines, mit dem sich der Zuschauer häufig konfrontiert sieht. Kastration und alternativer Lustgewinn gemischt mit Rache, Schuld und Sex (hiervon auch eine Prise Inzest, wie schon 2012 in „Pieta“) werden von Kim Ki-Duk mit gnadenloser Offenheit und einem Höchstmaß an symbolischer Aufladung interpretiert. Das völlige Fehlen von Dialogen während des 88-minütigen Films ist der wohl auffälligste Aspekt der Inszenierung von „Moebius“. Lediglich Stöhnen und Grunzlaute sind als hörbare Äußerungen der Charaktere wahrnehmbar. Dialogfreiheit stellt eine besondere Herausforderung an Regisseur und Zuschauer dar, da alle Botschaften logischerweise über Mimik und Gestik der Schauspieler transportiert werden müssen. Nur die Internetrecherchen des Vaters zu alternativen Orgasmusmethoden für seinen kastrierten Sohn unterstützen die sonst ausschließlich aus dem Spiel der Darsteller übermittelten Informationen.

Dieses läuft größtenteils glaubwürdig ab, wobei die Hauptdarsteller Jo Jae-Hyeon (Vater) und Seo Young-Ju (Sohn) von Lee Eun-woo in der kurzen Nebenrolle der Mutter mit ihrer krankhaften Rachsucht, die sich nicht besser in deren Mimik widerspiegeln könnte, gnadenlos in den Schatten gestellt werden. Am längsten im Gedächtnis bleibt dem Zuschauer aber sicher das ebenfalls von Kim stammende aberwitzige Drehbuch, das vor kranken Ideen geradezu überquillt und die Elemente Drama, Horror und Ironie gekonnt und stimmig miteinander verknüpft. Ebenso einprägsam ist der Schmerz, den Sohn (und später auch Vater) sich für den alternativen Lustgewinn zufügen – und den der Zuschauer regelrecht mitfühlt. Reibt sich der Sohn mit verzerrtem Gesicht minutenlang mit einem rauen Stein über den Fußspann, bis es blutet, fällt es schwer, den Blick auf den Bildschirm gerichtet zu halten

„Moebius, die Lust, das Messer“ stellt in jeglicher Hinsicht eine Herausforderung an den Zuschauer dar – sei es das komplette Fehlen von Dialogen, das Thema in all seinen psychisch belastenden Facetten oder das Begreifen, dass es offenbar andere Möglichkeiten des Orgasmus gibt, die Menschen mit „normaler“ Sexualität schwer akzeptieren können. Kim Ki-Duks drastische Inszenierung eines kaum bekannten Themas verdient großes Lob, und letztendlich stellt dieser Film auf seine Weise ein Meisterwerk dar (und wurde auf den Filmfestspielen von Venedig passend „Out of Competition“ gezeigt). Die Frage ist, ob man einen solchen Film sehen will. Dies soll jeder für sich selbst entscheiden, sicher ist jedoch, dass dieses Werk dem Zuschauer – ob auf positive oder negative Weise – sicher in Erinnerung bleiben wird.

Nach dem Vorfall bestimmen Sex und Gewalt das Leben der zerrütteten Familie. (Quelle: MFA+ Filmdistribution)

Nach dem Vorfall bestimmen Sex und Gewalt das Leben der zerrütteten Familie. (Quelle: MFA+ Filmdistribution)

Der Film ist ab dem 18.02.2014 auf Blu-ray und DVD erhältlich.

3 von 5 Punkten

 

Bild: Das Bild der Blu-Ray-Fassung zeigt sich klar und detailreich. Leichte Unschärfen bei dunkleren Szenen und sporadisch auftretendes Kantenflimmern fallen für den Gesamteindruck kaum ins Gewicht.
4 von 5 Punkten

Ton: Aufgrund fehlender Dialoge liegt die Aufmerksamkeit des Zuschauers zwangsläufig auf den Umgebungsgeräuschen der in DTS HD 5.1 präsentierten Blu-Ray-Fassung. Diese sind gelungen abgemischt und wirken stets räumlich.
3,5 von 5 Punkten

Extras: Bei den Extras wurde leider gespart: Neben dem Filmtrailer wird noch eine Trailershow mit drei weiteren Clips (unter anderem zu Lars von Triers „Antichrist“) geboten.
2 von 5 Punkten

Gesamt: 3 von 5 Punkten


Quelle: MFA Film, YouTube

Möbius, die Lust, das Messer

Originaltitel:Moebius
Regie:Kim Ki-duk
Darsteller:Jae-hyeon Jo, Eun-woo Lee, Young-ju Seo
Genre:Drama
Produktionsland/-jahr:Südkorea, 2013
Verleih:MFA Film
Länge:88 Minuten
FSK:ab 18 Jahren

Verfasst von Daniela.

Zuletzt geändert am 18.02.2014
Moebius, die Lust, das Messer (Blu-ray)

Leave A Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir setzen Google Analytics, einen Webanalysedienst der Google Inc. („Google“) ein. Google verwendet Cookies. Wir setzen Google Analytics nur mit aktivierter IP-Anonymisierung ein.  Mehr Informationen zur Verwendung von Google Analytics finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Diese pseudonymisiert erhobenen Daten helfen uns, ein besser auf das Leser-Interesse abgestimmtes Programm anzubieten. Hier klicken um dich auszutragen.
Consent Management Platform von Real Cookie Banner