Review: Drive (Kino)

Bildquelle: Universum Film

Inhalt: Er hat nur eine Passion im Leben: Wenn jemand den knapp 30-Jährigen mit dem kühlen Blick (Ryan Gosling, „Blue Valentine“), nach seinem Beruf fragt, hört man von ihm nur: „Ich fahre.“. Damit wäre sein Leben beschrieben. „Driver“, wie er von seinen Bekannten genannt wird, ist tagsüber Stuntwagenfahrer in Hollywood und arbeitet in der Werkstatt seines alten Freundes Shannon (Bryan Cranston,  „Breaking Bad“). Nachts ist er Fluchtwagenfahrer bei Raubüberfällen. Seine Abgebrühtheit und emotionale Distanz hat ihm einen sehr guten Ruf in der Szene verschafft.

Erst als er seine verheiratete Nachbarin Irene (Carey Mulligan) und deren kleinen Sohn Benicio (Kaden Leos) trifft, beginnt Driver eine zwischenmenschliche Beziehung und Verantwortungsgefühl aufzubauen. Wenige Wochen später kommt Standard (Oscar Isaac, „Robin Hood“), der Vater von Benicio aus dem Gefängnis, dem Driver helfen möchte, mit dessen krimineller Vergangenheit abzuschließen. Dafür muss Standard aber erst noch einen Pfandleihshop ausrauben, um seine Schulden bei einer kriminellen Bande zu begleichen. Doch der eigentlich einfach wirkende Überfall, bei dem Driver“ wieder den Fluchtwagen steuern soll, geht gründlich schief. Schon bald beginnt ein erbitterter Kampf, bei dem jeder jeden zu jagen scheint.

Kritik: Der Däne Nicolas Winding Refn („Walhalla Rising“) inszenierte diesen atemberaubenden Noir-Action-Thriller und wurde dafür 2011 auf den 64. Filmfestspielen von Cannes mit dem Regiepreis ausgezeichnet. Die Einleitungsszene gibt gleich die Art des gesamten Films vor: Er kreiert eine Verfolgungsjagd, von Driver und der Polizei, die ,ohne große Materialschäden, zu den Besten der Filmgeschichte zählen dürfte. Die handgemachten Stunts, die toll gefilmten Bilder aus Los Angeles bei Nacht, die mitreißende elektronische Musik und mittendrin ein an Coolness kaum zu überbietender Ryan Gosling. Es stimmt einfach alles an diesem Szenario.

Auch im weiteren Verlauf erweist sich die zunächst sehr simpel erscheinende Geschichte als perfekt strukturiert. Mit sicherer Hand führt Refn die Charaktere durch die Geschichte und reißt von der Verfolgungsjagd an jeden Zuschauer mit. Die Spannung entwickelt sich wie ein Schwelbrand knisternd und lässt den drohenden Ausbruch von Gewalt in jeder Nuance spüren. „Drive“ ist stylisch inszeniert, wird aber dabei nie oberflächlich, sondern klar und existenzialistisch. Ein Dialogfilm ist „Drive“ auch bei weitem nicht. Vielmehr ist jedes Wort, das in dem Film verloren wird, zielführend und hilft bei der Entwicklung der Handlung. Dabei ist der Film mehr beobachtend als wertend: Niemand ist der Böse und Schuldige im eigentlichen Sinne. Die Charaktere tun alle, was sie für das Richtige halten. Durch die verschieden gelagerten Interessen der Charaktere ist eine Katastrophe das unumgängliche Ergebnis ihres Handelns. Und diese entlädt sich mit einer unvergleichlichen Wucht und Brutalität, die das Publikum schockieren dürfte.

Von der Academy ignoriert – von den Zuschauern gefeiert

„Drive“ besteht aus vielen bekannten Fragmenten: Er hat den Grindhouse-Charme eines Quentin Tarantino. Er ist psychisch eindringlich wie Werke von einem Arthaus-Meister wie Darren Aronofsky. Er hat die Coolness von Steve McQueens „Bullit“ und den Sog von Michael Manns „Heat“. Warum „Drive“ bis auf eine Oscar-Nominierung für den besten Tonschnitt von der Jury der Academy nicht zur Kenntnis genommen wurde, ist mehr als rätselhaft. Vielleicht ist der Film zu brutal? Vielleicht ist er der naturgemäß etwas betagteren Jury zu modern? Eine vernünftige Antwort wird wohl keinem Zuschauer auf dieses Embargo einfallen.

Ryan Gosling (auch mit „The Ides of March“ im Kino) in der Hauptrolle des namenlosen Fahrers zeigt erneut, warum er zu den aktuell gefragtesten Schauspielern Hollywoods zählt. Mit seinem schier unerschöpflichen Talent gibt er dem etwas eindimensionalen und wortkargen Fluchtwagenfahrer durch perfekte Mimik unglaublich viel Tiefgang und Ausstrahlung. Wie bereits im Vorjahr als überforderter Ehemann in „Blue Valentine“ wurde Gosling erneut die verdiente Oscar-Nominierung verwehrt. Carey Mulligan als junge Mutter Irene zeigt eine ähnlich starke Vorstellung wie Gosling. Sie ist aufgrund ihrer Schüchternheit eher wortkarg, dabei aber so liebenswert, dass der Zuschauer jede ihrer Regungen gerne verfolgt. Die Liebe zwischen ihr und „Driver“ gehört dank der hervorragenden Chemie zwischen Gosling und Mulligan zu dem emotional ergreifensten und einfühlsamsten, was in den letzten Jahren im Kino gezeigt wurde.

Der heimliche Star des Films heißt aber Albert Brooks (Tom aus „Taxi Driver“): In der Rolle des Gangsters Bernie Rose, der sich um seine finanziellen Anlagen sorgt spielt er fies, charismatisch, mitreißend und einfach umwerfend gut. Doch auch seine Glanzleistung wurde von der Academy übersehen. Der dreifache Emmy-Gewinner Bryan Cranston liefert als loyal-sympathischer Ziehvater Shannon eine ebenso hochklassige Vorstellung wie Ron Pearlman („Hellboy“) als bulliger Krimineller Nino. Abgerundet wird die brillante Besetzung von Oscar Isaac als Irenes Mann Standard und Christian Hendricks (Joan aus „Mad Men“) als zwielichtige Blanche.

Auch wenn die Gewalt an vielen Stellen ausufert, ist „Drive“ ein absolutes Meisterwerk. Schnelle Autos, schöne Frauen, tolle Bilder und handfeste Action auf der Oberfläche. Große Emotionen und sensationelle Charaktere verfeinern die Geschichte. Nach diesem Independent-Werk mit relativ schmalem Budget (ca. 15 Millionen Dollar) ist Nicholas Winding Refn – nicht nur wegen seiner Cannes-Auszeichnung – definitiv in die erste Liga der internationalen Regisseure aufgestiegen.

5 von 5 Punkten

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Bildquelle: Universum Film, YouTube

Verfasst von Thomas.

Zuletzt geändert am 31.01.2012
Review: Drive (Kino)

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