Inhalt: Im Jahr 1963 ist der junge Dick Cheney (Christian Bale, „Feinde – Hostiles“) gerade wegen Trinkgelagen und Prügeleien von der Universität geflogen und schlägt sich nun als Tagelöhner mit der Reparatur von Stromleitungen durch. Seine kluge und ehrgeizige Frau Lynne (Amy Adams, „Arrival“) hat genug von seinem Lebenswandel und droht, ihn zu verlassen. Fortan reißt sich Cheney am Riemen und versucht, in der Politik Fuß zu fassen. Als Assistent von Donald Rumsfeld (Steve Carell, „Foxcatcher“) verdient er sich bald seine ersten Sporen. Gerade in der Zeit nach dem Watergate-Skandal beginnt sein großer Aufstieg. So wird er zunächst zum Stabschef im Weißen Haus. Nachdem Cheney es wegen des Machtverlusts der Republikaner einiger Zeit in der Regionalpolitik versucht hat, macht ihn George Bush Sr. (John Hillner) zum Verteidigungsminister. Daran erinnert sich auch dessen Sohn George Bush Jr. (Sam Rockwell, „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“), als er für seine Präsidentschaftskandidatur einen Vize-Kandidaten braucht. Nach der Wahl übernimmt Cheney unbemerkt immer mehr Verantwortung. Gerade nach den Anschlägen vom 11.09.2001 wird der Vize immer mehr zum Zentrum der Macht, was im Irak-Krieg gipfelt.
Kritik: Adam McKay hat seine Wurzeln eindeutig im Comedy-Bereich. Zwischen 1995 und 2001 war er Autor bei „Saturday Night Live“, wo er auch mit seinem späteren Dauer-Kollaborateur Will Ferrell arbeitete. Sein 2004er-Langfilm-Debüt „Der Anchorman“ hat inzwischen längst Kultfilm-Status. In den folgenden Jahren gab es zahlreiche durchweg ordentliche bis gute Komödien wie „Die etwas anderen Cops“, in denen das Duo McKay und Ferrell zusammen drehte. Nach der vollkommen überflüssigen Fortsetzung „Anchorman – Die Legende kehrt zurück“ schien es für den Regisseur Zeit für eine Veränderung – und diese war durchaus beeindruckend. Seine Wirtschafts-Satire „The Big Short“ rund um das Platzen der Immobilienblase entpuppte sich als clever-bissig-verspielte Unterhaltung, die für fünf Oscars nominiert wurde und McKay selbst die Auszeichnung für das beste adaptierte Drehbuch einbrachte. Der humorvolle Umgang mit gesellschaftlich relevanten Themen scheint inzwischen das neue Steckenpferd des Filmemachers zu sein.
Hier sucht er den Blick hinter die Kulissen eines Mannes, der sich eine unglaubliche Machtfülle erarbeitet hat, ohne wirklich in der Öffentlichkeit zu stehen. Dabei werden auch gewisse Parallelen, die zu dem aktuellen Duo im Weißen Haus bestehen, angedeutet. Der Weg vom Hallodri zum Politiker, der vielleicht entscheidend für den Irak-Krieg wurde, ist schon auf dem Papier durchaus faszinierend. Dennoch wäre die Geschichte eines grundsätzlich scheuen und uncharismatischen Mannes, der mit Cleverness und Wortgewandtheit seine Ziele erreicht, schnell zu relativ zähem Kino geworden. McKay gelingt es aber, seinen Stil aus „The Big Short“ fortzusetzen und für die vorhandenen Inhalte weiterzuentwickeln. Der Film liefert wichtigen Kontext zu bekannten Ergebnissen, macht das aber auf eine zielstrebig-augenzwinkernde Art, die über zwei Stunden auch als Unterhaltung ohne Durchhänger funktioniert.
Selbst wenn es abgesehen von dem unvermeidlichen Oscar für „Best Achievement in Makeup and Hairstyling“ trotz acht Nominierung nicht zu den ganz großen Weihen reichte, wird hier – auch durch den Mut zu Fehlern – außergewöhnliches Kino erreicht. Dabei zeigt wieder einmal Christian Bale, der mit grauen Haaren, dicker Wampe und massiver Maske kaum zu erkennen ist, eine denkwürdige Performance. Wie Bale in dieser Figur versinkt, ohne zu viel von seiner Handschrift zu verstecken, ist schon allein das Eintrittsgeld wert. Die immer noch unvollendete Amy Adams, die auch bei ihrer sechsten Oscar-Nominierung nicht die längst überfällige Auszeichnung mit nach Hause nehmen konnte, zeigt hier wieder einmal in jeder Szene, weswegen sie eine der besten Schauspielerinnen im modernen Kino ist. Etwas herrisch, ehrgeizig, manipulativ, aber immer menschlich nahbar, ist sie als Lynne Cheney das perfekte Gegengewicht zu Bales Charakter.
Weswegen Sam Rockwell für seine solide und unterhaltsame Darstellung eines dusseligen George W. Bush eine Oscar-Nominierung bekommen hat, bleibt dagegen eher zweifelhaft. Steve Carell erinnert als opportunistischer Donald Rumsfeld an seine Zeit aus „The Office“ – was auch im Universum von „Vice“ für sehr viel Spaß sorgt. Krawall-Komiker Tyler Perry überrascht alle paar Jahre mit einer ordentlichen Darbietung in einem Preiskandidaten. So kann er auch hier als Colin Powell gefallen. Jesse Plemons („Black Mirror Staffel 4“) führt als Erzähler (einschließlich starker Pointe) durch die Geschichte.
Auch wenn seine verspielte Herangehensweise nicht jedem gefällt, ist Adam McKay mit „Vice – Der zweite Mann“ ein erstklassiger Film gelungen, der es schafft, böse, unangenehme und nachdenklich stimmende Inhalte zu fantastisch gespielter, humorvoller Unterhaltung zu verpacken, die lange nachwirkt.
4,5 von 5 Punkten
Quelle: Universum Film, LeinwandreporterTV, YouTube
Vice – Der zweite Mann
Originaltitel: | Vice |
Regie: | Adam McKay |
Darsteller: | Christian Bale, Amy Adams, Sam Rockwell, Steve Carell |
Genre: | Drama, Biografie, Satire |
Produktionsland/-jahr: | USA, 2018 |
Verleih: | Universum Film |
Länge: | 134 Minuten |
FSK: | ab 12 Jahren |
Kinostart: | 21.02.2019 |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von Universum Film
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 25.02.2019
Review: Vice – Der zweite Mann (Kino)