Inhalt: Wer die Nachbarn fragt, dürfte über Ezra Cobb (Roberts Blossom) kaum ein negatives Wort hören. Der scheue, etwas simpel gestrickte Farmer kümmert sich hingebungsvoll um seine schwerkranke Mutter (Cosette Lee) und ist gegenüber seiner Umwelt stets höflich und hilfsbereit. Als die Mutter stirbt ahnt niemand, wie sehr das Ezra wirklich zusetzt: Er beginnt, Leichen vom Friedhof zu stehlen und diese in den eigenen vier Wänden zu umsorgen. Gerade seine Mutter muss natürlich in Topzustand gehalten werden, weshalb er immer wieder neue Ersatzteile besorgt. Irgendwann entschließt sich Ezra, nicht mehr mit den Teilen bereits Verstorbener arbeiten zu wollen und beginnt, lebendigen Frauen aufzulauern. Während sich der Farmer in seinem Haus eine morbide Fantasiewelt aufbaut, geht in seinem Heimatdorf die Angst um.
Kritik: In den 1950er-Jahren sorgte der Grabräuber, Leichenschänder und Mörder Ed Gein für Angst und Schrecken. Seine Taten hielten auch massiven Einfluss ins amerikanische Kino. So wurden ihm – zumindest lose – Figuren wie Norman Bates („Psycho“), Leatherface („Texas Chainsaw Massacre“) und Buffalo Bill („Das Schweigen der Lämmer“) nachempfunden. Der 1974er-Exploitation-Thriller „Deranged – Geständnisse eines Nekrophilen“ von Jeff Gillen und Alan Ormsby orientierte sich noch näher an seinen tatsächlichen Verbrechen. Wie bei vielen „True Crime“-Filmen dieser Zeit schreibt sich die Geschichte gleich zu Beginn einen „abgesehen von den Namen 100-prozentigen Wahrheitsgehalt“ zu. Um den pseudodokumentarischen Stil zu unterstreichen, führt ein Journalist (Leslie Carlson) durch das Gruselkabinett des zu Ezra Cobb umgetauften Verbrechers.
Wie so oft lässt sich natürlich vortrefflich darüber streiten, ob die Grenzen des guten Geschmacks mit diesem (immer noch Exploitation-)Film nicht zu weit überschritten werden. Wer hier mit einem klassischen Thriller oder zielgerichtet aufgearbeiteten Fakten rechnet: „Deranged“ hat zu keiner Zeit den Anspruch, diesbezüglich viel zu liefern. Selbstverständlich ist der Ekelfaktor hier gerade im Zusammenhang mit Cobbs bunt aufgearbeiteter Leichensammlung ausgesprochen hoch. Wenn diese Phasen ohne bleibende Magenschäden verkraftet sind, entwickelt der Film eine durchaus beachtliche, dreckig-verstörende Atmosphäre, die das Werk deutlich von Trash-Unterhaltung abhebt. Gerade in seiner harten Schlussphase wird der Film dann aufrichtig spannend.
Dreh- und Angelpunkt ist ein herausragender Charaktermime Roberts Blossom, der in den Jahren darauf noch in Klassikern wie „Unheimliche Begegnung der dritten Art“, „Flucht von Alcatraz“ und Kevin – Allein zu Haus“ mitspielte. Seine Entwicklung vom harmlos-naiven Muttersöhnchen zum realitätsfernen Monster ist durchaus beeindruckend. Die allenfalls mittelmäßigen Co-Stars an seiner Seite dienen da nur als Staffage.
„Deranged – Geständnisse eines Nekrophilen“ ist ein absolutes Produkt seiner (Drive-In-)Zeit. Hart, unangenehm und bewusst geschmacklos weidet sich der Film vor dem – nicht ganz ernst gemeinten – Dokumentarstil an seinen charakteristischen Gräueln. Dabei gelingt es aber dank ordentlichem Gespür für Atmosphäre und einem exzellenten Hauptdarsteller, zu einem der stärkeren Werke seines Metiers aufzusteigen, weshalb Interessierte durchaus einen Blick riskieren sollten.
Der Film ist seit dem 27.05.2019 als 3-Disc Collector’s Edition im Mediabook erhältlich.
3,5 von 5 Punkten
Bild: Was man hier aus einem 45 Jahre alten Exploitation-Film gemacht hat, verdient Respekt. Ein wenig Rauschen und Dreck ist bei dieser Art von Film fast schon zwingend. Ansonsten wurde hier starke Arbeit geleistet. Schärfe und Detaildarstellung schwanken zwischen sehr gut und mäßig, was aber auch mit dem Ausgangsmaterial zu tun hat. Die Farbwiedergabe ist erstaunlich gut gelungen. Dazu kann die Einstellung von Kontrasten und Schwarzwert immer voll überzeugen.
4 von 5 Punkten
Ton: Der deutsche und der englische DTS-HD MA 2.0-Ton machen das Optimum aus gegebenen Möglichkeiten. Die Dialoge sind in beiden Versionen gut verständlich und passen akustisch zum Geschehen. Hintergrundgeräusche und die teils verstörende Musik wurden sauber abgemischt. Viel mehr kann nicht verlangt werden.
3,5 von 5 Punkten
Extras: Das handgezeichnete, angemessen fiese Cover B (entworfen von Darly Joyce) ist sicherlich das hervorstechende Artwork dieser Veröffentlichung. Im Inneren des sauber verarbeiteten Mediabooks befindet sich ein Booklet mit Film-Stills und Texten des geschätzten Kollegen Christoph N. Kellerbach. Auf beiden Discs findet sich jeweils ein Audiokommentar mit Tom Savini und Calum Waddell, ein Audiokommentar mit Jörg Buttgereit und Dr. Gerd Naumann, eine Einleitung von Jörg Buttgereit (5 Minuten), ein Interview mit Produzent Tom Karr (24 Minuten), die Featurettes „Deranged Chronicles: The Making of ‘Deranged’“ (38 Minuten), „The Ed Gein Story: Producer Tom Karr on Location“ (21 Minuten), „Ed Gein – American Maniac: True-Crime-Dokumentation“ (25 Minuten), „Das Sequel, das keines war: Hinter den Kulissen von ‘Creep’“ (4 Minuten) und „’A Blossoming Brilliance’: Scott Spiegel über ‘Deranged’“ (10 Minuten), ein Mitschnitt des Theaterstücks „Kannibale und Liebe“ von Jörg Buttgereit (25 Minuten), der Kurzfilm „Ein Moment der Stille am Grab von Ed Gein“ (2 Minuten), eine B-Roll (4 Minuten), eine geschnittene Szene (1 Minute), eine Bildergalerie und eine Reihe an Trailern als Bonusmaterial. Es versteht sich von selbst, dass hiermit ein echter Mehrwert geboten wird.
4,5 von 5 Punkten
Gesamt: 3,5 von 5 Punkten
Quelle: DominusLuna, YouTube
Deranged – Geständnisse eines Nekrophilen
Originaltitel: | Deranged |
Regie: | Jeff Gillen, Alan Ormsby |
Darsteller: | Roberts Blossom, Cosette Lee, Leslie Carlson |
Genre: | Horror, Thriller |
Produktionsland/-jahr: | USA, 1974 |
Verleih: | Wicked Vision Media |
Länge: | 84 Minuten |
FSK: | ab 16 Jahren |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von Wicked Vision Media
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 27.07.2019
Review: Deranged – Geständnisse eines Nekrophilen (Mediabook)