Review: Vaxxed – Die schockierende Wahrheit!? (Kino)

Das Hauptplakat von "Vaxxed" (© Busch Media Group)

Das Hauptplakat von “Vaxxed” (© Busch Media Group)

Inhalt: In den 1990er-Jahren veröffentlicht Dr. Andrew Wakefield eine Studie, nach der durch MMR-Impfungen bei Kleinkindern wesentlich häufiger Fälle von Autismus auftreten. Tatsächlich sorgte sein Beitrag 1998 dafür, dass zunächst deutlich weniger Leute zu Impfungen gehen. Nachdem jeder Versuch, Wakefields Ergebnisse zu reproduzieren, nicht erfolgreich war und bekannt wurde, dass unlautere Fördermittel an ihn geflossen waren, zogen sich die beteiligten Autoren von dem Werk zurück und Wakefield wurde 2010 wegen „unethischer Forschungsmethoden“ seine Zulassung als Arzt entzogen. Doch Wakefield war sich stets sicher, dass von der amerikanischen Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) Ergebnisse unterschlagen worden sind. Der Biologe Brian Hooker konnte im CDC Kontakt zu Dr. William Thompson herstellen, einem Mitarbeiter, der als Whistleblower bezüglich der MMR-Impfungen auspacken möchte.

 

Kritik: Tatsächlich gibt es eine große Gruppe von Menschen, die aufgrund der Angst vor Autismus und ähnlichen Krankheiten ihre Kinder nicht impfen wollen. Auch wenn die Ergebnisse von Dr. Andrew Wakefield längst als Scharlatanerie enttarnt worden, verbleiben Zweifler, die an eine groß angelegte Vertuschungsaktion von Gesundheitsbehörde und Pharmaindustrie glauben. Es ist natürlich durchaus vorstellbar, dass hinter vorgehaltener Hand im Gesundheitsbereich Sachen passieren, die nicht passieren dürften. So absurd die Ausgangslage erscheinen mag, gibt es hier Themenbereiche, wo wirklich interessante Ergebnisse zu Tage gefördert werden und Pro- und Contra-Diskussionen auf Missstände hinweisen könnten. Diese gibt es hier aber nicht. Der Regisseur, Produzent und Co-Autor dieses Filmes ist nämlich niemand anderes als Dr. Andrew Wakefield. Schnell wird klar, was das Hauptansinnen der Produktion sein dürfte: Wakefield aus der Vergessenheit zurückzuholen, in die er trotz Unterstützern wie US-Präsident Donald Trump geraten war.

Eine Mutter kümmert sich um ihr krankes Kind (© Busch Media Group)

Eine Mutter kümmert sich um ihr krankes Kind (© Busch Media Group)

Faszinierend ist, wie einfach „Vaxxed“ sich eine Geschichte zusammenstrickt, die auf den ersten Blick glaubwürdig erscheint. Merklich verzweifelte Eltern berichten von ihren kranken Kindern. Home-Videos zeigen die Kinder im schlimmst möglichen Zustand, die sich selbst verletzten und ihre Eltern bedrohen. Da der Film nicht den Eindruck machen möchte, sich nur auf die emotionale Ebene zu verlassen, werden massenhaft Zahlen genannt und Tabellen gezeigt, die die These des Films untermauern sollen. Dazu noch die Aussagen des Whistleblowers, der die schrecklichen Handlungen des CDC aufdeckt. Es scheint so, als hätten die Macher hier wirklich einen richtigen Fall. Doch was hat „Vaxxed“ wirklich? Einen Haufen erschreckend naiver Eltern, die zwischen Stammtischlogik („Als ob ein Arzt jemals zu dem Wissen in der Lage wäre, was eine Mutter mit dem Herz spüren kann.“) und unbedachtem Blödsinn („Dann hat der Arzt mir gesagt, dass mein Sohn Autismus hat und dann hab ich ganz schockiert gefragt: So wie Rain Man?“) alternatieren. Eigentlich gibt es in diesen Phasen des Films nur äußerst manipulativen – wenn auch zweifelsohne ausgesprochen tragischen – Elendstourismus zu sehen.

Zahlen lügen nicht...oder? (© Busch Media Group)

Zahlen lügen nicht…oder? (© Busch Media Group)

Die wild abgeladenen Zahlen untermauern auch rein nichts, selbst wenn es tatsächlich Rechengrößen geben sollte, mit denen sich berechnen lässt, dass im Jahr 2032 jedes zweite Kind mit Autismus geboren wird. Ohne feste Ausgangsgrößen dürfte es aber auch möglich sein, treffende Anhaltspunkten für die Ankunft von Superman auf der Erde zu errechnen. Ein weiteres Zeichen, was die Alarmglocken schrillen lassen müsste, ist die Abwesenheit von wirklichen (ernstzunehmenden) Wissenschaftlern und Leuten, die auch nur ansatzweise von Wakefields These abweichen. Bei dem Whistleblower Thompson wird zu Beginn behauptet, „dass dieser nichts davon wusste, dass die Telefonate mit Hooker aufgezeichnet worden sind.“. Einen Anhaltspunkt/Beweis, wer da am anderen Ende der Telefonleitung spricht und Fakten preisgibt, bekommt der Zuschauer während des ganzen Films nicht. Auch beim Tribeca Film Festival, bei dem Robert De Niro (der selbst einen autistischen Sohn hat) in der Leitung aktiv ist, entschied man sich, den Film aus dem Programm zu nehmen, nachdem er eigentlich dort seine Premiere feiern sollte. Das hinderte die Macher natürlich nicht daran, mit frühen Zitaten der Hollywood-Ikone für den Film zu werben.

„Der Film, der nicht gesehen werden darf“ steht auf dem Plakat zu „Vaxxed – Die schockierende Wahrheit!?“ und könnte ohne Umschweife als der aufrichtigste Teil der gesamten Produktion bezeichnet werden (auch wenn die Aussage wohl ein wenig anders gemeint war). Wenn der Film einen richtigen Journalisten oder Dokumentarfilmer dazu anstoßen würde, in diesem Bereich zu ermitteln, hätte der Film wenigstens eine positive Sache erreicht. Hier bleiben nur die verstörend manipulativen Ergüsse eines gefährlichen Selbstdarstellers, der wild mit Thesen jongliert, verzweifelte Menschen schamlos für seine Zwecke ausnutzt und hofft, mittels erzeugter Paranoia einen neuen Karriereweg für sich aufzutun.

1 von 5 Punkten


Quelle: Busch Media Group, Leinwandreporter TV, YouTube

Vaxxed – Die schockierende Wahrheit!?

Originaltitel:Vaxxed: From Cover-Up to Catastrophe
Regie:Andrew Wakefield
Darsteller:Del Matthew Bigtree, Mark F. Blaxill, Michaela Blaxill
Genre:Dokumentation
Produktionsland/-jahr:USA, 2016
Verleih:Busch Media Group
Länge: 91 MinutenFSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 06.04.2017
Homepage:Vaxxed

Verfasst von Thomas.

Zuletzt geändert am 05.04.2017
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