Inhalt: Über Jahre war der Platzspitz in Zürich eine Art Paralleluniversum, in dem Drogenabhängige ungestört ihrer Sucht nachgehen konnten. Nachdem der Platz im Frühjahr 1995 geräumt und seine Bewohner in verschiedene Sozialbauten der Umgegend verteilt wurden, verlagerte sich das Problem. Das muss auch die gerade 11 Jahre alte, herzensgute Mia (Luna Mwezi) erfahren, die mit ihrer abhängigen Mutter Sandrine (Sarah Spale) in einem kleinen Vorort landet. Nach einer kurzen Phase der Besserung rutscht die Mutter schnell wieder in alte Muster ab. Währenddessen flüchtet sich Mia in Tagträume und versucht, in ihrem neuen Umfeld Anschluss zu finden. In einer Clique sozial benachteiligter Kids um die etwas ältere Lola (Anouk Petri) findet das einsame Mädchen Gleichgesinnte. Obwohl das Leben immer desaströser wird und ihr Vater Andre (Jerry Hoffmann) um das Sorgerecht kämpft, träumt Mia von einer besseren Zukunft mit ihrer Mutter.
Kritik: In den Achtzigern und Neunzigern war Zürich berüchtigt für seine Drogenszene. Wie sehr die radikale Auflösung des Platzspitz im Jahr 1995 da tatsächlich geholfen hat, darf sicherlich diskutiert werden. Pierre Monnard hat in seinem Film „Platzspitzbaby“, der auf einem gleichnamigen, autobiographischen Roman von Michelle Halbheer basiert, auf die Nachwehen dieser Aktion geguckt. In der Schweiz wurde der Film zu einem unerwarteten Kino-Hit. Tatsächlich hat sich diese Mischung von Coming-of-Age-Drama und Milieustudie alle Erfolge mehr als verdient. Gerade der kindlich-naive und fantasievolle Blick der jungen Hauptfigur auf die Situation gibt dem Geschehen noch einmal spürbar mehr Gewicht.
Die große Stärke von „Platzspitzbaby“ sind dabei sicherlich die aus dem Leben gegriffenen Charaktere. Die junge Hauptdarstellerin Luna Mwezi ist sensationell. Mit einer ausgesprochen einnehmenden Präsenz und darstellerischen Reife entwickelt sie eine immer nachvollziehbare Figur, der man gerne durch verträumt-sympathische, aber auch wirklich harte Momente folgt. So entwickelt sich aus einer Sequenz um ein paar Rubbellose zu einem der schmerzhaftesten Filmmomente des Jahres. Auch Sarah Spale als wohlmeinende, aber von ihrer Sucht beherrschte Sandrine spielt einen ganz starken Part. Von der durchweg überzeugenden Nebenbesetzung muss noch einmal Anouk Petri als aggressive Lola, die in einem gewalttätigen Elternhaus gefangen ist, herausgehoben werden.
Obwohl hier alle Zutaten eines klassischen Problemfilms vorhanden sind, gelingt Pierre Monard eine fast schon leichtfüßig erzählte, dabei aber sehr authentische und empathische Mixtur, die aus „Platzspitzbaby“ ein wirklich starkes Drama macht.
Der Film ist ab dem 24.03.2022 auf DVD und Blu-ray sowie ab dem 19.03.2022 digital erhältlich.
4 von 5 Punkten
Bild: Optisch ist „Platzspitzbaby“ ebenfalls überzeugend, ohne dabei die Tristesse der Thematik zu vernachlässigen. Schärfe und Detaildarstellung sind selbst in den dunklen Sequenzen meistens ordentlich. Die oft karge Farbpalette ist der Situation angemessen und wirkt natürlich. Kontraste und Schwarzwert wurden auch sauber eingestellt. Große Bildfehler sind nicht aufgefallen.
4 von 5 Punkten
Ton: Der deutsche und der originale DTS-HD MA 5.1-Ton können sich durchaus hören lassen. Im Zentrum steht natürlich eine immer gelieferte, saubere Dialogwiedergabe. Aber wenn Räumlichkeit gefordert ist (zu Beginn auf dem Platzspitz, in verschiedenen Drogenhöhlen, bei den musikalischen Elementen), wird durchaus Räumlichkeit geliefert. Selbst wenn die Präsentation vermutlich nicht als Muster für Kraft und Dynamik herhalten kann, ist das Ergebnis absolut überzeugend.
4 von 5 Punkten
Extras: Bis auf den Trailer gibt es kein Bonusmaterial.
1 von 5 Punkten
Gesamt: 3,5 von 5 Punkten
Quelle: EuroVideo, YouTube
Platzspitzbaby
Originaltitel: | Platzspitzbaby |
Regie: | Pierre Monnard |
Darsteller: | Luna Mwezi, Sarah Spale, Anouk Petri |
Genre: | Drama |
Produktionsland/-jahr: | Schweiz, 2019 |
Verleih: | EuroVideo |
Länge: | 100 Minuten |
FSK: | ab 12 Jahren |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von EuroVideo