Inhalt: Die australische Fotografin Clare (Teresa Palmer, „Lights Out“) möchte Lebenserfahrung sammeln und Europa erkunden. Kaum in Berlin angekommen, lernt sie den netten Englischlehrer Andi (Max Riemelt) kennen, mit dem sie fortan die Stadt erkundet. Beide kommen sich schon bald näher, was in seinem Bett endet. Am nächsten Morgen erwacht Clare und Andi ist verschwunden. Da die Haustür abgeschlossen ist, kann sie nicht gehen. Noch ohne böse Gedanken schlägt sie sich ein paar Stunden um die Ohren. Erst als er wieder da ist, dämmert ihr die schreckliche Wahrheit: Sie ist das Opfer eines Psychopathen geworden. Andi hat in keinster Weise vor, sie wieder gehen zu lassen und sperrt sie als seine Freundin in die Wohnung ein. Es beginnt ein langwieriger Überlebenskampf, in dem sie verzweifelt nach einem Ausweg sucht.
Kritik: In den Filmen der vielfach preisgekrönten kanadischen Indie-Regisseurin Cate Shortland geht es zumeist um starke Frauen, die auf irgendeine Art zu sich selbst finden müssen. Ihr neuer Film suggeriert schon im Titel, was auf den Zuschauer zukommen könnte: Eine Entführungsgeschichte, in der sich Täter und Opfer immer mehr annähern. Das entspricht zwar nur teilweise der Wahrheit, ändert aber nichts an einer reizvollen Ausgangssituation. Der Film beginnt auch vielversprechend. Die ersten Szenen bieten einen stimmungsvollen Berlin-Trip, in dem eine etwas verloren wirkende Protagonistin in die heruntergekommenen Ecken der Stadt eintaucht. Auch die sich anbahnende Romanze ist schön erzählt und knisternd umgesetzt. So sind die Funken zwischen Clare und Andi förmlich spürbar. Selbst als der Film dann seinen Umschwung nimmt und auf einmal beklemmend wird, ist „Berlin Syndrom“ ein wirklich guter Film. Gerade weil das Erzähltempo eher niedrig ist, wirkt die Geschichte noch intensiver.
Leider bleibt die Formkurve nicht beständig. Immer mehr Logikfehler schleichen sich ein und arg künstlerische Zwischensequenzen (beispielsweise wenn Andi in Zeitlupe seine Sportschüler beobachtet) nehmen dem Film mehr die Wucht, als die Situation zu verstärken. Auf diese Art werden die – zu langen – 116 Minuten im Verlauf deutlich zäher, als es nötig gewesen wäre. Vielleicht wäre es hier clever gewesen, sich auf ein Zwei Personen-Stück zu beschränken. Das wäre allein schon lohnend gewesen, da es zwei exzellente Darstellerleistungen zu bewundern gibt. Die schöne Teresa Palmer kann weit mehr, als nur Bilddekoration zu sein. Mit recht zurückgenommenem Spiel, das genau in den richtigen Abständen explosiv wird, entwickelt sie eine interessante Figur. Mit einem physisch wie emotional freizügigen Auftritt liefert sie eine der besten Arbeiten ihrer Karriere. Ähnlich stark zeigt sich Max Riemelt, der geschickt immer mehr Risse in der Persönlichkeit des nur scheinbar sympathischen Andi erblicken lässt, was zu einer stellenweise wirklich beängstigenden Performance führt.
Die logischen Brüche, die leider immer wieder in der Story zu erkennen gewesen sind, wären noch ertragbar gewesen, wenn der Film konsequent zu Ende geführt worden wäre. Leider wirft die Geschichte zum Finale alle guten Vorsätze über Bord und rutscht schon etwas in die absurde Richtung ab. Trotz schicker Bilder, toller Leistungen von Palmer und Riemelt und einer starken ersten Hälfte bleibt bei „Berlin Syndrom“ ein fader Beigeschmack, da der Verlust von Intensität und Glaubwürdigkeit im zweiten Teil doch zu offensichtlich ist. Auf diese Art bleibt das Gefühl, die Chance auf ein sehr gutes Entführungsdrama leichtfertig verschenkt zu haben.
3 von 5 Punkten
Quelle: eOne, YouTube
Berlin Syndrom
Originaltitel: | Berlin Syndrome |
Regie: | Cate Shortland |
Darsteller: | Teresa Palmer, Max Riemelt, Matthias Habich |
Genre: | Drama,Thriller |
Produktionsland/-jahr: | Australien/Deutschland, 2017 |
Verleih: | MFA Film |
Länge: 116 Minuten | FSK: ab 16 Jahren |
Kinostart: | 25.05.2017 |
Homepage: | Berlin Syndrom |
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 26.04.2017
Review: Berlin Syndrom (Kino)