Inhalt: Der Chirurg Frederick Treves (Anthony Hopkins, „Die Bounty“) traut seinen Augen nicht, als er im Jahr 1881 auf einem Jahrmarkt einen schrecklich entstellten Mann namens John Merrick (John Hurt, „Jackie – Die First Lady“) sieht, der dort als „Elefantenmensch“ vorgeführt wird. Dem Arzt gelingt es, Merrick aus der menschenunwürdigen Obhut des Schaustellers Bytes (Freddie Jones) zu befreien und ihn in sein Krankenhaus zu bringen. Die Krankenhaus-Leitung und der verschüchterte John stehen Fredericks Idee zögerlich gegenüber, das aktuelle Engagement zu einer Dauer-Lösung zu machen. Nach und nach stellt sich dann aber heraus, dass hinter dem entstellten Äußeren des jungen Mannes ein intelligentes und sensibles Wesen ruht. So beginnt selbst die Londoner High Society um die Theater-Diva Mrs. Kendal (Anne Bancroft, „Die Reifeprüfung“), Interesse für das Schicksal des „Elefantenmenschen“ zu entwickeln. Alles scheint auf einem guten Weg, bis Merrick von seiner brutalen Vergangenheit eingeholt wird.
Kritik: Der echte Joseph Merrick (1862-1890) galt als eines der schlimmsten Beispiele für Missbildungen und Deformationen, die im viktorianischen Zeitalter aufgetaucht sind. Teilweise basierend auf einem Buch des realen Frederick Treves entstand im Jahr 1980 dieser Kinofilm. Mit der Regie wurde David Lynch betraut, der damals allenfalls extremen Experten durch seinen (wahrlich nicht auf den Mainstream ausgelegten) Debüt-Film „Eraserhead“ bekannt war. Das Endergebnis war ein unangenehm treffend inszeniertes Charakterstück, das mit Preisen überhäuft wurde (u.a. acht Oscar-Nominierungen) und seiner hochtrabenden Thematik – einer Auseinandersetzung mit Menschlichkeit und dem Abbau von Vorurteilen – größtenteils gerecht werden kann.
Selbst wenn der Film ein paar Mal kurz davor steht, sich zu sehr in seinem Melodrama zu ergehen, bleibt die Geschichte fokussiert und klar genug, um bis zum grandiosen Schlussakt nicht von den Schienen zu rutschen. Die hier nur vereinzelt und gezielt eingesetzten surrealen Elemente, für die Lynch so bekannt ist, werden sinnvoll genutzt, um die Leiden Merricks darzustellen. Das emotionale Zentrum ist aber die unglaubliche Leistung von John Hurt. Trotz des radikalen Make-Ups gelingt es dem 2017 verstorbenen Charakterdarsteller, Merrick einen glaubhaften Bewegungsablauf zu geben und ihn auf eine Art zu verkörpern, die gleichermaßen würdevoll und emotional nachvollziehbar ist.
Anthony Hopkins zeigt als einfühlsamer Arzt, durch dessen Einsatz und Freundschaft der Protagonist eine neue Seite des Lebens kennenlernt, einen der herausragenden Auftritte seiner Karriere. Freddie Jones gibt als Schausteller Bytes, der auf dem Rücken des „Elefantenmensch“ ein Vermögen machen will, den genüsslich boshaften Fiesling. Anne Bancroft beweist als freundlicher Theater-Star, wie wenig Spielzeit manchmal nötig ist, um eine tolle Figur zu entwickeln. „Star Wars“-Fans haben hier die Chance, Kenny „R2D2“ Baker in einer Kurzrolle zu erleben.
Selbst wenn es ein paar Möglichkeiten gibt, hier das sprichwörtliche Haar in der Suppe zu finden, bleibt „Der Elefantenmensch“ ein zeitloser Klassiker, der handwerklich wie inhaltlich immer noch unbedingt sehenswert ist.
Der Film ist Teil der „David Lynch Complete Film Collection“, die am 10.10.2019 auf DVD und Blu-ray veröffentlicht wird.
4,5 von 5 Punkten
Bild: Der Transfer sieht wirklich sehr hübsch aus. Die Grauabstufungen sind bis auf kleine Ausnahmen wirklich gut gelungen. Schärfe und Detaildarstellung bauen nur in wirklich dunklen Szenen etwas ab. Kontraste und Schwarzwert wurden kräftig und überzeugend eingestellt. Bis auf ein konstantes, leichtes Rauschen waren keine nennenswerten Probleme zu sehen.
4 von 5 Punkten
Ton: Neben der originalen DTS-HD MA 5.1-Vertonung liegt noch eine deutsche DTS-HD MA 2.0 Spur bei. Natürlich durfte bei Alter und Thematik des Filmes kein gewaltiges Sound-Feuerwerk erwartet werden. In ein paar Sequenzen (Bahnhof, Theater) kommt die Räumlichkeit der Originalfassung etwas zur Geltung. Ansonsten sind beide Fassungen, die zwar nicht durch Klarheit im Klang brillieren, aber immer eine ordentliche Dialogwiedergabe und saubere Abmischung bieten, fast gleichwertig.
3,5 von 5 Punkten
Extras: Drei verschiedene, sehenswerte Interviews mit David Lynch (insgesamt 60 Minuten), ein Interview mit John Hurt (20 Minuten) und das Featurette „Joseph Merrick: Der reale Elefantenmensch“ (20 Minuten) geben der Blu-ray einen soliden Mehrwert.
3,5 von 5 Punkten
Gesamt: 4 von 5 Punkten
Der Film ist aktuell im Programm von Arthaus+ und Paramount+ zu sehen.
Quelle: YouTube
Der Elefantenmensch
Originaltitel: | The Elephant Man |
Regie: | David Lynch |
Darsteller: | John Hurt, Anthony Hopkins, Anne Bancroft |
Genre: | Drama |
Produktionsland/-jahr: | USA/UK, 1980 |
Verleih: | StudioCanal |
Länge: | 123 Minuten |
FSK: | ab 12 Jahren |
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite von StudioCanal
Verfasst von Thomas.
Zuletzt geändert am 13.10.2019
Review: Der Elefantenmensch (David Lynch Complete Film Collection)