Review: Hannah Arendt (kino)

Kinoplakat Hannah Arendt (Quelle: nfp marketing & distribution)

Kinoplakat Hannah Arendt (Quelle: nfp marketing & distribution)

Inhalt: 1961 ist die nach New York ausgewanderte Jüdin Hannah Arendt (Barbara Sukowa, „Lola“) eine der angesehensten Journalistinnen und Philosophinnen der USA. Daher soll die hauptberufliche Hochschuldozentin für die renommierte Zeitschrift „The New Yorker“ vom Prozess gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann in Jerusalem berichten. Sie erwartet beim Betreten des Gerichtssaals einem Monster gegenüberzustehen. Stattdessen erlebt sie Eichmann als simpel gestrickten Nobody, der ohne Hintergedanken die grausamen Befehle ausgeführt hat. Hannah Arendt ist schockiert von der Geistlosigkeit Eichmanns, die in keiner Relation der der Boshaftigkeit seiner Taten steht.

Wieder zurück in den USA beginnt sie den Prozess aufzuarbeiten und mit ihrem Mann Heinrich (Axel Milberg, „The International“) und Freunden (u.a. Janet McTeer („Die Frau in Schwarz“), Julia Jentsch („Sophie Scholl – Die letzten Tage“) und Ulrich Noethen („Der Untergang“)) über das Erlebte zu diskutieren. Ab Februar 1963 erscheint die Artikelserie „Eichmann in Jerusalem“ im „The New Yorker“. Die Reaktionen auf ihre Denkansätze sind verheerend. Für ihre These von der „Banalität des Bösen“ wird sie öffentlich angegriffen, bekommt Drohbriefe und verliert langjährige Freunde. Trotz der schwierigen Situation scheut sie sich aber nicht, auch weiter „dahin zu denken, wo es weh tut“. Sie setzt sich mit Kritik und Widersachern auseinander.

 

Hannah Arendt mit Ehemann Heinrich (Quelle: nfp marketing & distribution)

Hannah Arendt mit Ehemann Heinrich (Quelle: nfp marketing & distribution)

Kritik: Hannah Arendt gehört zu den großen Freidenkern des 20. Jahrhunderts und prägte mit ihren Büchern und Artikeln das Verständnis für die moderne Demokratie und ihre Zusammenhänge entscheidend mit. Die Regisseurin Margarethe von Trotta , die bereits in zahlreichen Filmen („Rosa Luxemburg“, „Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen“) große weibliche Figuren der Zeitgeschichte gewürdigt hat, widmet jetzt auch Hannah Arendt eine Biographie. Der Film beschränkt sich aber nicht nur auf die Philosophin, sondern erzählt fast mehr von dem Menschen, der hinter den Gedanken stand. Um in den vollen Genuss dieses emotionalen Porträts zu kommen, setzt von Trotta aber einiges voraus. So wird Arendts Jugendliebe, der Philosoph Martin Heidegger, der für sein Wirken im Nationalsozialismus sehr kritisch gesehen wurde, nur am Rande und ohne besondere Erklärung eingeführt. Solche Aspekte dürften für diejenigen, die sich bis zum Film noch nicht gesondert mit dem Thema auseinandergesetzt haben, Schwierigkeiten beim Verständnis verursachen.

Hannah Arendt in Jerusalem (Quelle: nfp marketing & distribution)

Hannah Arendt in Jerusalem (Quelle: nfp marketing & distribution)

And the Oscar goes to…?

Davon abgesehen ist „Hannah Arendt“ aber so stark, dass er durchaus Chancen auf den Oscar als „Bester ausländischer Film“ haben dürfte. Es werden ergreifende Einblicke in das Leben der großen Philosophin gewährt und es findet eine hochinteressante Auseinandersetzung mit dem Thema Nationalsozialismus statt. Wirkliche Prozessaufnahmen von Adolf Eichmann, der vor Gericht seine Taten rechtfertigt, erhöhen den Realitätsbezug der Geschichte. Das der Film sowohl auf Deutsch als auch auf nicht synchronisiertem Englisch gezeigt wird, vermittelt dem Zuschauer ein besseres Gefühl für die Lebenssituation der Immigrantin.

Hannah Arendt diskutiert mit Freunden (Quelle: nfp marketing & distribution)

Hannah Arendt diskutiert mit Freunden (Quelle: nfp marketing & distribution)

Von Trottas Stammdarstellerin Barbara Sukowa erweist sich als perfekte Besetzung für Hannah Arendt. Ihre Darstellung ist kompromisslos und unangepasst. Dabei vermittelt sie der Figur aber eine außergewöhnliche Güte und einen augenzwinkernden Humor. Axel Milberg als sympathischer Ehemann agiert wir gewohnt stark. Janet McTeer, die dieses Jahr für „Albert Nobbs“ Oscar-nominiert war, ist die einzige Hauptdarstellerin, die kein Deutsch spricht und als Arendts beste Freundin Mary gekonnt die Verbindung zur „neuen Welt“ Amerika darstellt. Julia Jentsch ist die vielleicht beste deutsche Charakterdarstellerin ihrer Generation. So verwundert es auch nicht, dass sie auch in der Rolle der engagierten und gutmütigen Lotte, die als Assistentin von Arendt arbeitet, erneut jederzeit zu gefallen weiß. Ulrich Noethen hinterlässt als aufbrausender Studienfreund von Hannah ebenfalls einen nachhaltigen Eindruck.

„Hannah Arendt“ ist einer der besten deutschen Filme der letzten Jahre. Das Porträt ist spannend, unterhaltsam, informativ und lehrreich. Leider ist die Inszenierung an manchen Stellen intellektuell so anspruchsvoll, dass dem Film die Massentauglichkeit etwas abgesprochen werden muss.

4 von 5 Punkten


Quelle: TheMatchFactoryTube, NFP, YouTube

Hannah Arendt

Originaltitel:Hannah Arendt
Regie:Margarethe von Trotta
Darsteller:Barbara Sukowa, Axel Milberg, Janet McTeer
Genre:Biographie, Drama
Produktionsland/-jahr:Deutschland, 2012
Verleih:nfp marketing & distribution
Länge:113 Minuten
FSK:ab 6 Jahren
Kinostart: 10.01.2013

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